Wer sich noch wundert, dass die CDU in Hamburg ihre Wähler verliert, der sollte in der jetzigen Ausgabe der ZEIT lesen, wie ausgerechnet der ehemalige schulpolitische Sprecher der Hamburger CDU Fraktion, Robert Heinemann, ZEIT “Chefreporter” Stefan Willeke als Kronzeuge beim Bildungsbürger-Bashing unterstützt: “Die Kassierer” heißt das Dossier, in dem Chefreporter Willeke seine These über die angebliche “Lüge von der armen Mittelschicht” vorstellt, die seiner Meinung nach in Wirklichkeit von ihren eigenen massiven Abgaben profitiere.
Kronzeuge Robert Heinemann schimpft in dem Dossier über die “Unehrlichkeit in Teilen des Bürgertums” und macht deutlich, dass er für den Wunsch von bürgerlichen Eltern nach einem Gleichgewicht zwischen guter Bildung in der Schule und Freiräumen für außerschulische selbstbestimmte Zeit, für Kindheit, Jugend oder Familie kein Verständnis hat. Es spricht von einer “Gesellschaftsschicht”, die “einerseits ihren Kindern einen gradlinigen Lebensplan bis zur Berufskarriere” zimmere und andererseits “unverstellte Kindheit.. frei vom Effizienzdenken der Ökonomie” wünsche. Robert Heinemann, der über ein Jahrzehnt die Schulpolitik der CDU Hamburg mitprägte, spottet damit über Mittelschicht-Eltern, die sich humanistische Bildung für ihre Kinder wünschen, die dem Menschen und nicht dem ökonomistischen Zweck dient, die ausreichendes Grundlagenwissen für Studium oder Beruf vermittelt und findet ihren Wunsch nach Ausgewogenheit zwischen Schule und Freiheit, Kindheit, Jugend, Familie “seltsam”: Zitat ZEIT: “Heinemann nennt es einen “seltsamen Mix aus Harvard und Bullerbü”.
Interessant auch, selbst erleben zu können, wie ZEIT-Reporter Willeke über Bildungsbürger urteilt. Da wird schlicht und streng zwischen Guten und Nicht-Guten sortiert: Robert Heinemann ist eher gut, denn er ist für G8. Wer für die Verlängerung der Schulzeit an Gymnasien ist, ist für Willeke nicht gut: Das wird schon in unserem Interview klar:
G9-Anhängern gehe es gar nicht um Kinder, Kindeswohl und mehr Zeit zum gründlichen Lernen: Dossier Autor Willeke urteilt da ganz klar: “Vordergründig geht es um Fragen des Gymnasiums, in Wahrheit geht es darum, den Nachwuchs der gebildeten Mittelschicht in einem homogenen Umfeld einzuzäumen und gegen die gefährlichen Einflüsse unangepasster Migranten und anderer Störenfriede abzuschotten”. Protestierende Eltern sind, auch da steht sein Urteil fest, immer “Anwälte, Redakteure oder Architekten…Putzfrauen oder Hilfsarbeiter spielen in diesen Konflikten keine Rolle”, urteilt Willeke, selber durch und durch Bildungsbürger.
Gar nicht gerne läßt er sich daran erinnern, dass einer seiner Kollegen aus der zutiefst bildungsbürgerlichen ZEIT Redaktion einen der schönsten Artikel über die Schrecken des Turbo G8 geschrieben hat: http://www.zeit.de/2011/22/DOS-G8<
Die ZEIT: 5. Januar 2015, Dossier: Die Mitteschicht Lüge- Die Kassierer. S.13 bis 15,
ua. mit Robert Heinemann und Mareile Kirsch
Dazu der erwähnte Artikel über die Schrecken des Turbo G8:
Sußebach, Henning,
“Liebe Sophie!
Brief an meine Tochter”
Verlag Herder
Aufl./Jahr: 1. Aufl. 2013
“Henning Sußebach erzählt von der zunehmenden Unterwerfung der Kindheit – auch der seiner Tochter – unter Leistungsdenken, Zeitknappheit und Konkurrenzdruck, und versucht Sophie zu erklären, warum das so ist. Vor allem aber ermutigt er sie (und mit ihr alle Kinder und Eltern!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!), die äußerlichen Erwartungen und Zumutungen nicht fraglos zu erfüllen und ihren eigenen Weg zu gehen.
Henning Sußebach bringt das Lebensgefühl der heutigen Kinder und Eltern auf den Punkt. Sein dem Buch zugrunde liegender Artikel ist auf ZEIT Online einer der meistgelesenen und am häufigsten kommentierten. Ein kluges und bewegendes Plädoyer, die Kindheit, überhaupt das Leben, nicht mit Ängstlichkeit, Vor-Sorge und Eile, sondern mit Zuversicht, Neugier und Gelassenheit zu gestalten.”
Genau darum geht es so vielen Eltern und G9 Anhängern, liebe ZEIT: